14.03.2019

Auf ein Café

Auf ein Café

Mal Hand aufs Herz: Wer hatte ihn nicht irgendwann einmal? Diesen Wunsch, an jenem ganz speziellen Tag in naher oder vielleicht auch nicht ganz so naher Zukunft, allein oder mit dem besten Freund, der besten Freundin, eine Bar, ein Restaurant oder ein Café zu eröffnen. Im Kopf ist man das Szenario zigmal durchgegangen: Die perfekte Location ist gefunden, das einzigartige Konzept steht, die Einrichtung sorgt für das perfekte Flair und alle Verwandten und Bekannten haben ihre Hilfe zugesichert und sind selbstredend von der Idee und der Umsetzung begeistert. Man steht am Tresen, zapft Bier, brüllt die Essensbestellung in die Küche, kocht Kaffee oder hält Small Talk mit den natürlich zahlreichen Gästen. Komplikationen – Fehlanzeige. Alles läuft perfekt. So ähnlich muss es auch bei David Wolf gewesen sein, mit dem einzigen Unterschied, dass der Angreifer der Adler Mannheim seit Anfang November vergangenen Jahres tatsächlich Inhaber eines eigenen Cafés ist.

Das Wetter ist wie gemalt an diesem Mittwochnachmittag Anfang Februar. Die Sonne scheint, die ersten Frühlingsboten liegen in der Luft. Die knapp 60 Plätze im Café Wolfsbau, dem Café mit Herz in der Mannheimer Gartenstadt unweit der Freilichtbühne und des Käfertaler Walds, sind nahezu voll besetzt. Allerorts zufriedenes Gemurmel. In kleinen Schaukästen an der Wand sind Wolfs erster Schlitt- und Handschuh verwahrt, genauso wie sein erster gewonnener Pokal. Lampen im Industrie-Chic hängen von der hohen, hölzernen Decke. Die bräuchte es aktuell aber gar nicht. Lichtdurchflutet präsentieren sich die rund 170 Quadratmeter, die von einer großen Fensterfront umgeben sind. Arbeiter werkeln außen an der Stirnseite an den elektrischen Rollos. Nicht damit die Jalousien heute reibungslos funktionieren. Mitten im Winter lässt man die Sonnenstrahlen gerne herein. Vielmehr damit sich der frei stehende Bau im nahenden Sommer nicht bis zur Unerträglichkeit erhitzt.

Immer wieder hört man das Mahlwerk der Kaffeemühlen, das Brummen der großen Kaffeemaschine. Tassen- und Besteckklappern runden die klassische Geräuschkulisse eines Cafés ab. Ein wirklicher Kaffeegeruch liegt aber nicht in der Luft. Zumindest nicht an dem Tisch, an dem wir Platz genommen haben. Macht aber nichts. Der Name, die Einrichtung, die Speisekarte und nicht zuletzt die mehrstöckig gefüllte Kuchenvitrine sprechen eine umso deutlichere Sprache: Zweifellos, man ist ein einem Café. „Ich hatte schon lange den Gedanken, mein eigenes Café zu eröffnen. Ich habe in jeder Stadt, in der ich gespielt habe, nach schönen Cafés Ausschau gehalten, in denen man sich wohlfühlt, tolle Leute trifft, sich unterhält und vielleicht ein wenig das Heimweh vergisst“, sprudelt es aus Wolf heraus, kaum, dass wir uns zu ihm gesetzt hatten.

„Kaffee ist eine Leidenschaft von mir“

„Letztlich war es aber ein Glücksfall, dass wir jetzt und hier zu einem Café gekommen sind. Ich habe die Immobilie während der Bauzeit entdeckt und sofort mit meiner Mutter Rücksprache gehalten“, hat der Zufall bei der Entstehung des Wolfsbau ein wenig mitgeholfen. Wie es eben oft so ist. Schnell sind danach aber die Rahmenbedingungen abgesteckt. „Wir wollten ein gemütliches, aber doch modernes Ambiente schaffen, wo sich jedes Publikum wohlfühlen kann.“ Wir, damit meint Wolf sich und seine Familie. Von Anfang an war klar, dass das Café ein Gemeinschaftsprojekt werden wird. „Meine Mutter und auch meine ältere Schwester hatten bereits vorher Erfahrungen in der Gastronomie gemacht, aber nie in dieser Konstellation und in diesen Positionen. Viel bringen wir uns selbst bei, ergänzen und helfen uns bei allem gegenseitig. Außerdem treffen wir alle Entscheidungen allein“, kann sich Inhaber Wolf der Unterstützung seiner Mutter, seiner beiden Schwestern und seiner Frau sicher sein.

Die dreimonatige Vorlaufzeit bis zur Eröffnung des Cafés ist dagegen straff durchgetaktet. Küche, Innenausstattung, Name, Konzept, Logo – für alles gilt es Entscheidungen zu treffen. Gemeinsam. Manche Themengebiete sind völliges Neuland. „Ich habe beispielsweise an einer Gesundheitsschulung in Bonn teilgenommen, damit wir die Schanklizenz erhalten“, erinnert sich Wolf. Behördengänge, Buchführung, Mitarbeiterauswahl und -führung, kaufmännisches Einmaleins: alles Dinge, die bei einem Eishockeyspieler eher nicht als Gute-Nacht-Lektüre den Nachtisch zieren. „Langsam bilden sich aber Routinen heraus“, gilt auch im Wolfsbau Learning by Doing. An der Grundausrichtung des Cafés gab es dagegen keine Zweifel, dafür war keine Nachhilfe nötig. „In erster Linie sind wir ganz normale Menschen, die hier aus der Gegend stammen, die immer ein offenes Ohr für alle haben. Wenn man das Café betritt, soll man sich aufs Herzlichste willkommen fühlen“, gibt sich Wolf nahbar. Wichtige Ereignisse in seinem Leben, schon mit der Geburt seiner älteren Schwester beginnend, über die olympische Silbermedaille bis zur Eröffnung des Cafés, finden sich auf einem riesigen Gemälde gleich neben der Eingangstür. Für Small Talk, Autogramm- und Fotowünsche kommt der 29-Jährige gerne zu den Gästen an die Tische. „Ich will den Leuten zeigen, wer dieses Café betreibt.“

Große Portion Passion

Auch auf der Karte spiegelt sich die Maxime der Bodenständigkeit wider. „Wir versuchen, so viel Hausmannskost anzubieten wie möglich. Das Hauptkriterium dabei ist, dass eine Zubereitung wie daheim möglich ist und das Wichtigste: es uns allen schmeckt. So kann jeder seinen persönlichen Teil zur Karte und zu den Rezepten beitragen“, sind die mamagemachten Dampfnudeln der absolute Verkaufsschlager. Allerdings geben sich die Wolfs keinesfalls naiven Tagträumereien hin. Ein genauer Plan, eine Struktur ist Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Betreiben eines Cafés. Es herrscht Konkurrenz und letztlich müssen auch im Wolfsbau die Einnahmen die Ausgaben decken. „Außerdem erwartet die heutige Gesellschaft regelmäßige Neuerungen und Verbesserungen. Man muss immer hinterher sein, testen“, bedeutet auch im Café-Business Stillstand Rückschritt.

Ein Alleinstellungsmerkmal hilft. Darauf angesprochen zögert Wolf keine Sekunde. „Unsere Kaffeemaschine!“ Handgefertigt aus Mailand gibt die Handhebelmaschine dem Wachmachergetränk den ganz besonderen Geschmack. Überhaupt will die richtige Kaffeezubereitung gelernt sein. „Die Milch beim Cappuccino muss genau die richtige Temperatur haben, sonst wird der Schaum nicht cremig. Beim Mahlgrad der Bohnen sind manchmal Millimeter entscheidend“, hat Wolf viel gelesen, einen Barista-Kurs besucht und fleißig geübt. Von nichts kommt schließlich nichts. Ein bisschen Latte-Art klappt auch schon. Filigran zaubert der groß gewachsene Stürmer ein Herz auf den Milchschaum. „Kaffee ist einfach eine Leidenschaft von mir“, geht es auch hier nicht ohne eine große Portion Passion. Genauso wie beim Eishockey.

Die Berufung nach dem Beruf

Mit voller Freude und Stolz schließt Wolf morgens die Türe zu seinem Café auf. Stolz ist er auf sich und seine Familie. „Wir haben diesen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, weil wir an unser Produkt glauben.“ Aktuell genießen die Adler die oberste Priorität. Nach der Karriere gebührt dann die gesamte Aufmerksamkeit aber dem Café. „Ich habe auch schon weitere Pläne. Aber die werden noch nicht verraten“, merkt man dem werdenden Familienvater an, dass der Wolfsbau kein einfaches Hobby für ihn ist. Es ist die Berufung nach dem Beruf als Eishockeyprofi.

Gegen Ende des Besuchs glänzen Wolfs Augen schließlich nochmals. „Ja, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Es war ein ähnlich schöner Tag wie heute. Es war unbeschreiblich. Vielleicht nicht unbedingt mit einer Meisterschaft zu vergleichen, aber dennoch waren wir alle mit Stolz erfüllt. Wir haben so lange darauf hingearbeitet. Natürlich war es auch stressig und wir mussten ordentlich ackern, aber wir haben uns sehr gefreut, dass wir endlich beginnen konnten“, ist der Tag, an dem der Wolfsbau seine Türen öffnete, noch sehr präsent. Der Tag, an dem aus einem Wunsch, den viele haben, Realität wurde. Der Tag, an dem David Wolf Café-Besitzer wurde.