07.06.2021

Ein junger Reisender

Ein junger Reisender

Gerade einmal 20 Jahre jung und schon weist die Eishockey-Vita den einen oder anderen beeindruckenden Eintrag auf. 2016/17 erzielte er die meisten Tore, die meisten Vorlagen und damit auch die meisten Punkte in der slowakischen U18-Liga. Als 16-Jähriger. In seinem einzigen MHL-Jahr 2017/18 sammelte er 31 Punkte in insgesamt 37 Partien. Er absolvierte zwei Spielzeiten in der nordamerikanischen College-Liga NCAA, wurde 2018 in der zweiten Runde von den New York Islanders gedraftet und feierte in der abgelaufenen Saison die finnische Vizemeisterschaft mit TPS. Ruslan Iskhakov ist ein Neuzugang bei den Adlern, bei dem es sich definitiv lohnt, genauer hinzuschauen.

Allein schon die Nationalität macht ihn in den Reihen der Adler zu einem Exoten. Von den bislang 346 Spielern, die seit 1994 das Adler-Trikot überstreiften, hatten gerade einmal drei die russische Staatsbürgerschaft. Dmitri Kvartalnov (1999/00) und Igor Alexandrov (2005/06) beschränkten sich mit nur 15 beziehungsweise 18 Partien in der DEL auf ein kurzes Gastspiel, lediglich Ilya Vorobyov absolvierte während seines Engagements bei den Adlern von 2001 bis 2003 108 Spiele. Wie viele es bei Iskhakov am Ende sein werden, wird sich zeigen.  Zunächst hat das Talent für ein Jahr unterschrieben.

Dass ein so junger Spieler mit ausländischem Pass überhaupt zu den Adlern in die DEL wechselt, hat bisher ebenfalls eher Seltenheitswert, spricht aber für die positive Entwicklung des Clubs und der Liga. „Die DEL hat sich in kurzer Zeit sehr stark entwickelt. Viele Talente wurden zuletzt gedraftet und haben den Sprung von Mannheim aus in die NHL geschafft. In der DEL wird zudem physischer gespielt als in Finnland, und ich treffe auf extrem erfahrene Gegenspieler. Das sind genau die Dinge, die ich brauche, um den nächsten Schritt zu machen, um mich weiter in Richtung eines NHL-Spielers zu entwickeln“, begründet Iskhakov seine Vertragsunterschrift beim diesjährigen Halbfinalisten. „Der Stellenwert von Eishockey in Deutschland ist allgemein gewachsen, ebenso hat sich die Qualität des Sports verbessert. Die olympische Silbermedaille und die Halbfinalteilnahme bei der WM sind klare Beweise hierfür“, sieht der Linksschütze allgemein im deutschen Eishockey große Fortschritte.

Nicht ohne Grund

Es gehört zu Iskhakovs Lebenseinstellung, dass er selbstreflektiert, durchaus kritisch und unter Berücksichtigung diverser Umstände nach der besten Option für seinen nächsten Schritt Ausschau hält. So ist es auch zu erklären, warum der eher kleingewachsene Stürmer ins College wechselte. „In Russland kennt eigentlich kaum jemand die NCAA. Wenn man sich aber mal anschaut, wo die nordamerikanischen U-Nationalspieler herkommen, fällt auf, dass die meisten am College spielen. Entsprechend sah ich dort gute Bedingungen für meine Entwicklung. Ich habe dort gelernt, dass jedes noch so kleine Detail enorm wichtig ist und du für alles hart arbeiten musst. Wir hatten auch nicht so viele Spiele, was die Bedeutung jeder einzelnen Partie entsprechend gesteigert hat“, erklärt Iskhakov. Dass er bereits nach zwei von vier College-Jahren die Zelte abbrach, lag an der Corona-Pandemie. „Niemand wusste so genau, wann und wie es in der NCAA weitergehen wird. Ich habe mich daher entschieden, einen Profivertrag in Finnland zu unterzeichnen.“

Die richtige Entscheidung, wie sich im Nachhinein zeigt. „Ich hatte eine komplette Saison, konnte sehr wichtige Erfahrungen sammeln. Die älteren Spieler können dir viel über das Spiel in der eigenen Zone, taktisches Verhalten oder das Bullyspiel erzählen. Es war eine gute Herausforderung für mich, mich meinem ersten Profijahr zu stellen. Auch die Playoff-Partien haben Eindruck hinterlassen, und ich bin in jedem Fall selbstbewusster geworden. Generell hat es sich gelohnt, schon recht früh das Elternhaus zu verlassen und die verschiedenen Länder zu bereisen. Man wird selbstständig, lernt, sich um sich selbst zu kümmern“, reifte Iskhakov in den letzten Jahren schneller als andere Jungs seines Alters.

Konkrete Vorstellungen

In Mannheim will das Talent seine Erfolgsgeschichte nun weiterschreiben. „Ich will deutsch lernen, das Land und die Leute sehen, mich in erster Linie auf ein Level bringen, das mir den Sprung in die NHL ermöglicht. Mit Moritz Seider und Tim Stützle habe ich die passenden Vorbilder. Die Adler haben bewiesen, dass sie junge Spieler entwickeln und mit ihnen gezielt an ihren Schwächen arbeiten“, hat Iskhakov abermals konkrete Vorstellungen von den nächsten rund zehn Monaten im Adler-Trikot. Zehn Monate, nach denen er seiner schon jetzt beeindruckenden Karriere ein weiteres Kapitel hinzufügen kann. Mit dann erst 21 Jahren.

Foto: TPS Turku