17.04.2018

Stewart: „Es geht um das Streben nach Perfektion“

Stewart: „Es geht um das Streben nach Perfektion“

Er kam im Dezember 2017 als Feuerwehrmann zu den Adlern, führte ein Team, das zeitweise bis auf den zwölften Rang abgerutscht war, am Ende der Hauptrunde auf Platz fünf und schließlich bis ins Halbfinale. Wenn man die Spielzeit 2017/18 im Rückspiegel betrachtet, kommt man nicht umhin, Bill Stewart großen Dank und Respekt für seine Arbeit auszusprechen. Der 60-jährige Italo-Kanadier hat mit seinen ehrlichen Worten und seiner unnachahmlichen Art die abgelaufene Saison zu einem versöhnlichen Ende gebracht.

Bill, du hast die Adler im Dezember 2017 übernommen. Welche Mannschaft hast du damals vorgefunden und was waren die ersten Veränderungen, die du eingeführt hast?

Wenn ein neuer Trainer zum Team stößt, herrscht immer etwas Euphorie, eine gute Atmosphäre. Für mich war es einfach die Gelegenheit, nochmals in einer professionellen Organisation zu arbeiten und zu schauen, ob wir zusammen noch eine Wende schaffen können.

Hattest du dir bereits im Vorfeld einen Plan zurechtgelegt oder muss man sein Vorgehen in solchen Phasen immer situativ entscheiden?

Ich gehörte vor zwei Jahren zusammen mit Sean Simpson zu den letzten zwei Kandidaten für den Trainerposten bei den Adlern. Daher wusste ich genau, welches Team auf mich warten würde. Ich kannte die meisten Eigenschaften der Jungs und so hatte ich mir schon meine Gedanken gemacht, was es brauchen würde, um sie wieder in die richtige Bahn zu lenken. Daneben konnte ich mich aber auch stets an Jochen Hecht wenden. Er war die letzten Jahre fester Bestandteil des Teams oder der Organisation. Wenn ich etwas wissen wollte, habe ich einfach ihn gefragt. Zusammen haben wir uns einen Plan zurechtgelegt. Und nachdem unsere ersten neun Spiele noch nicht so gelaufen sind, wie wir uns das gedacht hatten, sind wir danach ins Rollen gekommen. Gutes passiert nicht einfach über Nacht. Das braucht seine Zeit. Was ab Ende Dezember passiert ist, war einfach nur noch großartig und freut mich für die Jungs. Alle hatten verstanden, was es heißt, ein Team zu sein und entsprechend hat sich jeder voll reingehängt.

Im Januar hast du selbst die Playoffs um die Playoffs ausgerufen. Was ist in dieser Phase in der Mannschaft passiert?

Der Januar war rückblickend unser Schlüsselmonat. Jeder hat angefangen aufzublühen, hat das gemacht, was er kann. Wir sind ein echtes Team geworden. Es ging nicht mehr nur um Einzelleistungen, es ging um die Mannschaft. Jeder hat alles gegeben. Selbst wenn wir mal nicht als Sieger das Eis verlassen haben, konnte man sehen, dass die Jungs weiter an sich geglaubt haben. Wir haben uns im Januar, Februar, März und April dafür belohnt, dass wir uns der Dezemberfrustration nicht hingegeben, sondern den Turnaround geschafft haben.

Erst am letzten Hauptrundenspieltag schoben sich die Adler mit einem Sieg in Augsburg auf Rang fünf und sicherten sich so die direkte Viertelfinalqualifikation. Wie wichtig war das Umgehen der ersten Playoff-Runde letztlich?

Zum Ende der Hauptrunde wussten wir, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Der sichere fünfte Platz war natürlich eine schöne Sache, aber das Viertelfinale war trotzdem eine harte Angelegenheit.

Du hast das Viertelfinale angesprochen. Wie beurteilst du rückblickend die Serie gegen Ingolstadt?

Mir war klar, dass das eine schwere Angelegenheit werden wird. Und egal, ob du eine Serie nach vier, fünf oder erst sieben Spielen beendest – das sagt nie etwas darüber aus, wie eng, wie fordernd die Serie wirklich war. Und Ingolstadt war ein sehr gutes Team. Timo Pielmeier hat im Tor überragende Leistungen gezeigt.

Im Halbfinale konnte die Herausforderung nicht größer sein. Mit München ging es gegen den amtierenden Meister und aktuellen Hauptrundensieger. Du hast gesagt, dass dieser Test eine ideale Standortbestimmung für die Adler sei. Wie ist dieser Test deiner Meinung nach ausgefallen?

Wir haben viel über uns als Organisation gelernt. Für mich war die Overtime-Niederlage unser bestes Spiel in diesem Jahr. Wir haben sicher Bereiche, in denen wir noch besser werden müssen. Aber wenn du gegen einen starken Gegner sehr, sehr solides Hockey spielst, dann macht das Mut für die Zukunft. Man muss immer das große Ganze betrachten und in diesem Sinne befindet sich der Club auf dem richtigen Weg. Wir haben gelernt, dass das Team wichtiger ist, als der Einzelne, dass wir auf beiden Seiten des Eises hart und mit Tempo spielen müssen. Sicher, einige Spieler haben die Adler verlassen müssen. Das zeigt aber nur, welch hohen Standard wir künftig setzten wollen. Und wenn man ehrlich ist, kann ein Erreichen des Halbfinals zukünftig als Zielvorgabe nicht ausreichen.

Du hattest vor deinem Antritt in Mannheim immer betont, dass du gerne nochmals die Adler trainieren willst. Hattest du dir das Engagement so vorgestellt wie es in den letzten Monaten gelaufen ist?

Definitiv, es war einfach fantastisch. Ich bin stolz, dass ich mit dem, was ich getan habe, dem Club helfen konnte. Und dabei geht es mir nicht nur um die Spieler und ihre Entwicklung. Auch Jochen Hecht hat sich toll weiterentwickelt. Er besitzt sehr viel Knowhow und stellt das den Adlern zur Verfügung. Dazu hat er in der Eishockeyszene auch einfach einen Namen. Wenn du durch eine solche Zeit gehst wie wir in den letzten 122 Tagen, dann ist das sehr lehrreich und lohnend. Ich will künftig in einer Organisation arbeiten, für die der Titelanspruch so selbstverständlich ist wie vor rund 20 Jahren. Die ersten Schritte sind gemacht. Wir haben über die letzten Monate nach Perfektion gestrebt und das ist alles, was zählt. Dass die Jungs diesen Gedanken verinnerlicht haben, darauf können sie stolz sein. Es geht darum, dass jedem einzelnen klar ist, warum er hier ist. Das ist Mannheim. Und hier gibt es eigentlich nur eine Maxime und die lautet: Zweiter zu werden ist wie seine Schwester zu küssen.

Mit der 0:5-Niederlage am 06. April ist nicht nur die Saison 2017/18 für die Adler zu Ende gegangen, sondern auch deine Zeit als aktiver Trainer. Du hattest bereits im Vorfeld angekündigt, dass dies deine letzte Trainerstation sein wird. Wann und warum hast du diese Entscheidung getroffen?

Das war mir schon klar, bevor ich überhaupt zu den Adlern gekommen bin. Daniel Hopp ist nicht nur mein Boss, er ist auch mein Freund. Vertrauen und Glaube in die Organisation, für die man arbeitet, ist extrem wichtig. Daniel vertraut aber auch mir, glaubt an mich. Und deswegen bin ich mir sicher, dass es richtig ist, den nächsten Schritt zu gehen und dass ich in meiner neuen Funktion dem Club ebenfalls helfen werde. Daher hat diese Entscheidung für mich auch nichts Trauriges, sondern ist einfach nur etwas Positives.

Du bist ein Mensch ehrlicher und offener Worte, legst den Finger, wenn es sein muss, auch mal in die Wunde. Das hast du auch in Mannheim getan. Auf was wird es deiner Meinung nach in den nächsten Wochen, Monaten und auch Jahren ankommen, damit die Adler ihrer Favoritenrolle wieder häufiger gerecht werden?

Das Zauberwort heißt Konstanz. Wenn du in zehn Jahren dreimal im Halbfinale stehst und in dieser Zeit einmal den Titel holst, dann ist das unter dem Standard der Adler. Die Mentalität und die Kultur müssen auf ein höheres Level gehoben werden und ich bin der Meinung, dass wir damit in den letzten Monaten begonnen haben. Der Anfang ist also gemacht und das war mir sehr wichtig.